



Neuanfang
Hier entsteht eine neue Webseite! Der Blog ist aus diesem Grunde ausgesetzt.
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Natürlich hat sich diese Geschichte nie so zugetragen. Sie kann gar nicht geschehen sein, da Spitzensportler nicht Ski fahren dürfen (wegen Verletzungen und so, ausser die Skisportler natürlich).
Also, eine Geschichte mit Roger Federer, die sicher nicht wahr ist.
Es ist eng in der Stube, der Zwillingskinderwagen steht gerade neben dem Esstisch, Roger Federer streicht sich eine Brotschnitte, der Vater von Roger bespricht sich mit jemandem am Telefon. Ich schnappe einige Wortfetzen auf wie Krise, Verlust der Nummer 1, Tenniskarriere am Ende. Niemand nimmt Notiz von mir. Einer der Zwillinge ist gerade erwacht, ich gehe in die Knie, nehme den Plüschaffen und sage: „Guten Morgen, hast du gut geschlafen?“
Roger wirft einen kurzen Blick auf mich und isst weiter.
„Hast du gesehen, wie es geschneit hat?“ schwatze ich mit der Stimme des Äffchens weiter. „Alle Bäume sind verschneit, jetzt kommt bald Weihnachten.“
Die Kleine schaut den Affen an, will ihn streicheln, ich tue so, als ob der Affe ein wenig Angst habe vor ihr. Langsam trippelt der Affe wieder zur Kleinen: „Bist du lieb zu mir? Passt du auch gut auf mich auf? Weisst du, ich will nachher auf die Ski!“
Ich überlasse ihr den Affen, stehe auf und frage in die Runde, ob jemand mit mir Ski fahren komme.
Roger schaut mich an, Vater Federer ist immer noch am Telefon, da nickt Roger: „Ich komme mit“, und zu den Kleinen gewandt: „Mami kommt gleich, gell!“
Unten im Keller sagt Roger: „Ich darf natürlich nicht Ski fahren, wegen Verletzungen und so, ich darf nicht in die Kälte, wegen Erkältungen, dies nicht und muss das machen und jenes. Das hängt mir echt zum Hals hinaus.“ Dann zu mir: „Kannst du gut fahren? Zeigst du mir ein paar Pisten?“ Ich nicke, leihe ihm ein Paar Skier und los geht es.
Es war Zufall, dass ich Roger getroffen habe. Seine ganze Familie machte Ferien im Nachbarhaus bei uns und ich schaute hin und wieder, dass alles in Ordnung ist. So sind wir uns einige Male begegnet, haben ein paar Worte gewechselt. Eine ganz normale Bekanntschaft halt. Und jetzt stehen wir auf den Skiern.
„Du bekommst keinen Ärger, nicht wahr?“ will ich mich versichern.
Er zuckt nur mit den Schultern: „Ich lasse es mal drauf ankommen.“
Es ist noch still, die Bergspitzen leuchten, die Sonne ist noch nicht am Himmel. Der Schnee ist federleicht, bei jedem Schwung spritzt er wie eine Fontäne durch die Luft, die Pisten sind griffig. Ich fahre voraus, auf den Wald zu, durch die Verbindungsschneise, rufe nach hinten, dass er es laufen lassen solle, gehe in die Hocke, muss ein wenig stärker auf die Kanten stehen, so dass ich den verschneiten Weg noch erwische, von einem Ast fällt eine Handvoll Schnee, die frische Luft beisst im Gesicht. Ich strecke die Knie durch, ein Schwung zum Skilift hin. Wir fahren mit dem Sessellift hoch. Diesmal fährt Roger voraus, er fährt gut, ein Sportler halt, manchmal lässt er es etwas zu schnell brettern, zum Glück sind noch nicht viele Leute auf der Piste. Er strahlt, als ich ihm sage, dass er gut fahre für jemanden, der nicht Ski fahren dürfe. Wieder fahre ich voraus, die Sonne ist inzwischen über den Bergen aufgegangen, der Schnee glitzert und knistert in der kalten Luft. Bei einer Abzweigung bin ich mir nicht mehr sicher über die Richtung.
„Durch den Wald mit ein paar Jumps?“ rufe ich fragend nach hinten. Er nickt, ich weiss nicht, ob er mich verstanden hat und los. Es ist nur eine Spur durch den Wald, ein Riesenslalom zwischen Baumstämmen, das Tempo vorsichtig, ein Auf und Ab, dann eine gerade Anlaufspur, Absprung und hoch in die Luft, Skier kreuzen und landen. Kurze Pause. Wir lachen und klopfen uns auf die Schultern. Weiter.
Ich kenne diese Spur durch den Wald nicht, bin nicht sicher, wo wir wieder herauskommen, weiss auch nicht, ob wir überhaupt noch einen Lift erwischen. Egal. Drauflos.
Die Spur führt aus dem Wald, wir fahren neben einem Sessellift – doch da geht es nicht weiter. Es geht schon weiter, es ist einfach ein Sprung in die Tiefe, sicher fünf Meter in den Pulverschnee. Wir schauen uns an, nach diesem Sprung geht es neben dem Lift weiter bis zur Talstation.
„Komm, ich zeig dir, wie es geht!“
Zwei, drei Skischritte zurück.
„Nicht zu viel Tempo, sich fallen lassen und bei der Landung schön dem Hang entlang gleiten!“
Ich stosse mich ab, nehme gerade etwas Tempo auf, so wie beim Anfahren das Gefühl entsteht, jetzt fahre man, dann hebe ich ab, in freiem Fall in die Tiefe, es reisst mir die Arme hoch, ich rudere, um das Gleichgewicht zu halten, versuche den Oberkörper leicht nach vorne zu bringen, dann lande ich tief im Schnee, alles ist weiss um mich herum, ich weiss nicht, ob ich noch auf den Skiern stehe, es drückt mich in die Hocke, alle Luft wird mir aus den Lungen gepresst, endlich komme ich hoch und mit einem Jubelschrei schwinge ich ab. Ich sehe gerade noch, wie sich Roger mit den Stöcken abstösst, leicht über die Kante springt, es reisst ihn in die Tiefe, er hat etwas Vorlage, dann landet er, verschwindet fast im Pulverschnee und in Siegerpose fährt er auf mich zu.
„Super, das war absolut cool. Habe schon lange nicht mehr so viel Spass gehabt – und Mut gebraucht!“ Ich lache, wir fahren weiter zum Lift und zurück ins Haus.
Wenn ich mich recht erinnere, hat er sich danach die Nummer 1 im Tennis zurückerobert. In den Kommentaren wurde geschrieben, er spiele wieder mutiger und probiere auch unvorhersehbare und risikoreiche Schläge aus. Kurz: er habe die Freude am Tennis wiedergefunden.
Das WEF erlebe ich jeweils hautnah mit. Die Strassen sind voll, im Zug fast keine Plätze mehr frei. Die Männer mit Anzug und Krawatte und die Frauen mit halblangem Rock und Jupe und alle tragen so einen Badge um den Hals.
Ja.
Und ich stelle mir jedes Mal vor, da kommen sie aus der Wüste, aus dem Regenwald, aus den riesigen Städten, aus allen Ländern und treffen sich in Davos. Was denken diese Leute, wenn sie die Berge sehen, den Schnee, die frische Luft atmen, Wasser aus dem Wasserhahn trinken und Lawinen runterdonnern sehen?
Wie fremd muss ihnen unsere Welt vorkommen.
Unbekannt ist diese Welt auch für uns selber, das erfuhr ich am Abend im Zug. Ich nehme ja immer den Bummelzug, da ich in Haldenstein aussteige. Da hält halt nicht jeder Zug. Bei Landquart leerte sich der Zug und im Wagen, wo ich sass, waren nur noch wenige Plätze besetzt. Kaum ruckte der Zug in Landquart an, ertönte ein Mobilephone und einer erzählte etwas. So laut, dass ich mithören musste, ob ich wollte oder nicht. Dem Dialekt nach war es ein Unterländer, irgendwo zwischen Zürich und Aargau. Er sagte, dass er sich im Zug befinde und jetzt müsse er noch eine Stunde weiterfahren. Es sei etwas blöd gelaufen. Er sei ja jetzt am WEF und er sagte es so, als hätte er sich geziert und als wäre er gar nicht gerne gegangen und so als ob sein Chef halt nur ihn schicken konnte. Jedenfalls habe er sich eine Unterkunft gesucht, doch Davos war schon ausgebucht. Da habe er auf Google eine Loge gefunden, ganz in der Nähe.
11 Kilometer, da habe er gedacht, super, das ist nicht weit, und der Preis war auch im Rahmen, nicht so, wie andere Hotels oder so in Davos. Also, habe er gebucht und jetzt sei er in Davos angekommen und als er in seine Unterkunft wollte, habe er festgestellt, dass dieses Arosa halt hinter einem Berg liege. Und jetzt müsse er über zwei Stunden von Davos nach Arosa fahren. Sei halt etwas blöd gelaufen. Die elf Kilometer Luftlinie seien jetzt halt doch etwas länger.